Telegram-Zensur umgehen

Update / Ergänzung: Zur aktuellen Zensur deutscher Kanäle in Telegram siehe auch diesen Beitrag.

Wie Sie wissen, kümmert sich Innenministerin Faeser nicht um die 97% anderen Extremisten, sondern nur um die 3% Rechtsextremen. Und dazu hat sie sich auf Telegram eingeschossen und will es unbedingt verbieten.

Wie nett, als Russland das versucht hat (und damit scheiterte), schrien alle, das wäre der Beweis, dass Russland eine lupenreine Diktatur sei. Ah ja, nun haben wir es also endlich amtlich, dass Deutschland eine lupenreine Diktatur ist.

Wie auch immer. Ich glaube nicht, dass Faeser damit Erfolg haben wird, aber man weiß ja nie. Vorsorglich habe ich mir jedenfalls schon einmal einen unblockierbaren, aber dennoch schnellen Ersatzzugang zu Telegram überlegt (und eingerichtet und getestet). Da müssten die schon Telegram selbst killen, oder ganz Europa nach dem Vorbild Chinas komplett abschotten, bevor der nicht mehr funktionieren würde. Falls Sie auch Interesse an einem solchen alternativen Weg haben, finden Sie untenstehend meine Gedanken dazu. (Ggfs. bitte “weiterlesen” klicken).

Wie kann man eine Telegram-Zensur umgehen?

Zunächst zum Thema Apps. iOS ist nicht mehr verwendbar für Telegram. Die in dessen Appstore herunterladbare App ist bereits verfälscht und implementiert massive Zensur. Da es unter Apple keine Möglichkeit gibt, freie Apps zu installieren, kann man unter iOS also nur mehr über den Web-Browser gehen – aber wer weiß, wie lange noch, auch den könnte Apple noch kaputtmachen. Wäre sogar ziemlich einfach, wenn man (wie Apple) Zugriff auf die Engine hat.

Anders sieht es bei Android aus, dort ist es möglich, aus alternativen Quellen zu installieren. Laden Sie dafür die Android-App unbedingt von der Telegram-Seite selbst herunter, benutzen Sie auf keinen Fall die App aus den offiziellen Playstore-Quellen. Die ist, wie die iOS-App, bereits gehackt bzw. zensiert.

Telegram, wenn es in einer sauberen Version vom Anbieter selbst installiert ist, hat eine eingebaute Lösung, um staatliche Zensur zu umgehen. Dazu können entweder MTProxies verwendet werden, oder Proxies via Socks5. Für MTProxies gibt es eine Vielzahl kostenfreier Anbieter (suchen Sie in Telegram nach “Proxy”). Socks5-Proxies hingegen müssen m.W. käuflich erworben werden.

Ich rate jedoch von dieser eingebauten Lösung ab. MTProxies sind zwar frei, und es gibt sehr viele davon, aber erstens sind die grottenschlecht in der Performance (gerade mit den vielen Videos und Grafiken auf Telegram ein echtes Problem), und zweitens hat man keine Ahnung wer einen MTProxy betreibt, und man kann es praktisch nicht herausfinden. Wenn aber der Betreiber des MTProxys ein Geheimdienst wäre, geht jeder Traffic über deren Leitung und die können alles mitlesen und auch fälschen. Für Socks5-Proxies andererseits habe ich keine Lösung gefunden, die akzeptable Performance bietet.

Das bisher Gesagte zusammengefasst. Wenn staatliche Zensur für Telegram käme, wird man mit den Apps nicht mehr weit kommen, und auch nicht mit dem Web-Browser in mobilen Geräten (Handys, Tablets). Denn auch wenn es unter Android noch möglich ist, freie App-Versionen zu installieren, auf Betriebssystem-Ebene könnte jederzeit auch diese Möglichkeit (per DNS-Filter) geblockt werden, und dann wird es mit dem Umgehen sehr schwer. Für Android gäbe es da zwar auch noch Lösungen (unter iOS jedoch sowieso chancenlos, und dann funktioniert auch kein Browser mehr mit Apple), aber auch Android könnte dergleichen Umgehungs-Apps auf Systemebene blocken.

Meine Empfehlung würde deshalb lauten, für den Fall der Zensur das Web-Interface von Telegram auf einem stationären PC (mitgemeint dabei aber auch Laptops) zu nutzen, und dieses Web-Interface mit einem Browser über einen VPN-Dienst anzusprechen.

Ich würde Ihnen als Betriebssystem für diesen PC zwar Linux empfehlen, aber das ist m.E. (noch) nicht unbedingt Bedingung – wenn Sie unter Windows nicht den Systembrowser (Edge) verwenden, wird es auch für Microsoft mit der Zensur schwer. VPNs als Ganzes kann Microsoft nicht verbieten, das ist im geschäftlichen Einsatz unverzichtbar. Sobald aber ein externer Browser (Chrome oder Firefox, am meisten zu empfehlen derzeit m.Mng. jedoch Brave) verwendet wird mit einem VPN, kommt Microsoft nicht mehr dazwischen bzw. kann nicht erkennen, wohin Sie verbinden.

Generell ist aber ein Wechsel nach Linux anzuraten, nicht, dass da staatliche Eingriffe unmöglich wären, aber sie sind sehr erschwert. Falls Sie bisher Microsoft-Nutzer sind, würde ich Ihnen für diesen Umstieg Linux Mint mit Cinnamon als Distribution empfehlen, da ist m.E. der Wechsel am leichtesten. Sie würden nicht viel vermissen, im Gegenteil, endlich würde Ihr PC wieder Ihnen gehören, und falls Sie für bestimmte Anwendungen trotzdem noch Windows bräuchten, installieren Sie mit dem (kostenlosen) VirtualBox von Oracle eine virtuelle Maschine dafür, die Sie dann nur für die paar wenigen Programme verwenden, für die es unter Linux bisher keinen (vollwertigen) Ersatz gibt.

Das VPN. Natürlich ist auch hier das Problem, dass man nicht genau weiß, wer es betreibt, etc. Ich will Ihnen dazu dezidiert keinen Anbieter empfehlen, Sie müssen das selbst recherchieren und entscheiden. Ich habe jedoch eigene Erfahrungen mit NordVPN und CyberGhost. Außerdem habe ich, aus einigermaßen verlässlichen Quellen, mehrmals gehört, dass ExpressVPN recht gut sein soll. Achten Sie bei der Wahl Ihres VPN-Providers unbedingt darauf, dass er seinen (geschäftlichen) Sitz außerhalb des Geltungsbereichs von DSGVO (EU-Regulierung) und DMCA (US-Regulierung) hat. Jedenfalls, ohne VPN sind Sie auch unter Linux nicht vor staatlicher Zensur auf der DNS- und Protokoll-Ebene geschützt, und deshalb ist es unverzichtbar für eine zensurresistente Lösung für den Telegram-Zugang.

Ich will Ihnen aber nicht verhehlen, dass es staatlicherseits sogar möglich wäre, VPNs zu regulieren, je nach dem, wie weit man zu gehen bereit ist. In China, mit seiner “Great Firewall”, werden freie VPN-Verbindungen sämtlich geblockt, sogar “Cloaking” hilft dort oft nicht. (“Cloaking” ist ein VPN-Feature, achten Sie darauf, dass es implementiert ist bei Ihrem VPN-Provider, es könnte hilfreich sein). In China sind nur staatlich zugelassene VPN-Provider möglich (Sie erinnern sich, im geschäftlichen Einsatz sind VPNs unverzichtbar, deshalb muss auch China die Technologie grundsätzlich zulassen). Die in China erlaubten VPNs sind aber sämtlich unter staatlicher Kontrolle, und wenn China den Zugriff auf Telegram verbieten will – was es tut -, dann gibt es kein funktionierendes VPN, das diese Sperre nicht auch via dieser Technologie implementiert.

So weit sind wir aber in Europa noch lange nicht, und ob es tatsächlich hier so krass kommt, muss man erstmal sehen. Gut. Wie sieht sie also konkret aus, meine Empfehlung für den zensursicheren Telegram-Zugang?

1.) Nutzen Sie einen PC mit vorzugsweise Linux. Windows ist aber – noch, doch wer weiß wie lange – auch ok. Von MacOS würde ich abraten, Apple hat da viel zu sehr die Hand drauf bei allem.

2.) Verwenden Sie einen externen (gemeint: nicht den Default des Betriebssystems) Browser, ich empfehle derzeit Brave.

3.) Erwerben Sie einen VPN-Zugang bei einem Anbieter, der a) vertrauenswürdig, b) leistungsfähig, c) außerhalb der EU und der USA, und auf d) dessen Feature-Liste (sehr wichtig) ein Browser-Plugin ist.

4.) Installieren Sie das Browser-Plugin des VPN-Anbieters in den Browser und wählen Sie einen schnellen Standort, der nicht in der EU liegt. (Jeder gute VPN-Anbieter bietet viele Server-Standorte in vielen Ländern der Welt).

5.) Rufen Sie dann mit aktiviertem VPN-Plugin Telegram über dessen Web-Interface auf und Sie haben zensurfreien, sowie, zumindest derzeit und bis auf weiteres, nicht einschränkbaren Zugriff auf Telegram – welcher auch, einen guten VPN-Provider vorausgesetzt, sehr schnell und auch für Videos und Bilder performant ist.

Links für in diesem Artikel genannte Technologien

Telegram offizielle Seite https://telegram.org/
Downloads für Clients, von Telegram direkt https://telegram.org/apps
Linux Mint https://linuxmint.com/
VirtualBox https://www.virtualbox.org/
CyberGhost https://www.cyberghostvpn.com/
NordVPN https://nordvpn.com/
ExpressVPN https://www.expressvpn.com/
Brave Browser https://brave.com/
Telegram Web-Interface https://web.telegram.org/

PS: Eine Anmerkung zu CyberGhost. Wenn Sie auf wirklich maximale Sicherheit Wert legen, gibt es bei CyberGhost eine Möglichkeit, die nur dort verfügbar ist, soviel ich weiß. Sie können CyberGhost im stationären Handel erwerben (z.B. bei Saturn usw.). Wenn Sie das tun, und bar bezahlen, können Sie als nächstes die Registrierung bei CyberGhost via des Tor Projects erledigen. Sie müssten dann zwar die regelmäßigen Erneuerungen des CyberGhost-Dienstes wiederum jeweils im Handel und bar kaufen, und auch die Registrierung der Erneuerungen wiederum via Tor vornehmen. Auf diese Weise wäre aber eine Rückverfolgung zu Ihnen als Nutzer des Dienstes praktisch ausgeschlossen. Wie gesagt, Sie müssen das selbst entscheiden, und CyberGhost hat auch einen Haken, die sitzen nämlich in Rumänien, und das ist in der EU. Doch Rumänien kann oder will digitale Regulierungen bisher nicht umsetzen, weswegen ich CyberGhost trotz EU-Standort in meine kleine VPN-Liste aufgenommen habe; ich fand die vollständig anonymisierbare Nutzung in diesem Fall wichtiger.

Nachtrag 19.05.2022 – Kürzlich ist ein sehr interessanter Artikel über die VPN-Technologie auf Golem.de erschienen. Darin wird darauf hingewiesen, dass VPNs für Privatsphäre und Sicherheit wenig nutzen, für die Umgehung von Zensur und Geo-Blocking aber sehr wirksam sind (und für genau diesen letzteren Zweck werden sie ja auch vorgeschlagen in obigem Beitrag). Außerdem kommen jedoch die Golem-Autoren zu völlig anderen Anbieter-Empfehlungen (nämlich Mullvad, IPVPN und ProtonVPN) als ich, weswegen ich Ihnen deren Einschätzung dringend empfehlen möchte.