Felix warf seinen Ranzen in die Ecke. Die Tränen kamen, wie jeden Tag. Wofür? Warum er?
Wenn er doch bloß wieder zum Fußball dürfte. Im Tor, da hatte er immer alles vergessen können. Jeden Abend war das sein Gebet gewesen: “Lieber Gott, bitte lass mich so schnell reagieren wie eine Fliege und so gut springen wie ein Pferd”… vorbei. Die Lehrerin hatte es heute wieder gesagt, jeder muss für sich bleiben, und auch, dass diese neuen Varianten nicht mehr gehen würden. “Ihr müsst auf Eure Großeltern aufpassen, also reißt Euch bitte zusammen.”
“Ich kann nicht auf andere Leute aufpassen”, dachte er. “Ich bin noch klein, die sollen auf mich aufpassen!” Und ständig kamen sie einem mit dieser doofen Impfung. Für ihn gab es noch keinen Impfstoff, aber selbst wenn, was würde es ändern? Die Varianten, die Varianten. Auch die in der Klasse über ihm mussten immer noch Maske tragen, alleine bleiben. Und Oma und Opa durfte sowieso niemand besuchen.
Er verstand die Erwachsenen einfach nicht. Weil jetzt alle geimpft sind, macht das Virus neue Varianten. Und deshalb muss alles so bleiben, wie es ist. Wäre es da nicht schlauer gewesen, man hätte gar nicht erst geimpft? Aber wenn man so etwas der Lehrerin sagte, dann drehte sie durch. Neulich hatte sie ihn einen Aufsatz schreiben lassen “Warum die Querdenker unsozial sind”. Dreimal hatte sie ihm das Heft zurückgegeben. Erst kam ihr zu wenig Solidarität darin vor, dann meckerte sie, weil er die Impfung nicht gelobt hatte. Dauernd fand sie etwas. Am Schluss hatte er Malte gebeten, ihm zu helfen. Der wusste, wie man den Lehrern nach dem Mund zu reden hatte.
“Ich will nicht mehr”, wie jeden Tag. Sie sagen, es ist ganz einfach. Eine U-Bahn, und es ist vorbei.
Er sah aus dem Fenster. Heute? Warum nicht?
Sein Blick fiel auf einen bunten Vogel. Ganz ruhig saß er auf dem Baum vor seinem Fenster. Es war sogar so, als ob ihn der Vogel ansehen würde. Naja, Quatsch. Vögel haben nur ein ganz kleines Gehirn, hatte er in Biologie gelernt. Und was ein Mensch ist, wissen die sowieso nicht. Aber der Vogel sah ihn immer weiter an.
Dann begann er zu singen. Felix setzte sich auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. Der Vogel sang wunderschön.
Ein Schmetterling flog auf. Der Lärm der Welt zog sich zurück.
Und mit einem Mal verstand er es. Das war kein Vogel. Das war ein Engel, der ihn zum Herrgott begleiten würde.
Heute also war der Tag.